Dienstag, 24. Mai 2011

Revolution oder Campingausflug?

Da erheben sich plötzlich 10.000 Menschen und sagen: Es reicht. Sie campieren auf großen Plätzen und Demonstrieren in den Straßen dutzender Städte. Warum das ganze gerade in Spanien passiert, ist relativ einfach. Hier dauert die Wirtschaftskrise nicht nur wesentlich länger als in Nordeuropa, hier haben die Menschen auch direkt unter den Folgen dieser zu leiden: 45% der jungen Menschen sind arbeitslos. Kein Zufall also.
Madrid
Doch wogegen protestieren diese vielen Menschen denn überhaupt?
Zuerst einmal: Gegen die eigene Regierung. Diese hat der eigenen Wirtschaft bisher noch nicht wieder in den Sattel helfen können, trotz massiver Lohnkürzungen für Staatsbedienstete sowie Kürzungen im Renten- und Sozialbereich, um nur einmal einige Punkte aus dem von Mi­nis­ter­prä­si­dent Luis Za­pa­te­ro eingeläutetem Sparprogramm zu erläutern. Man mag sich fragen: Wie kann man Spanien helfen? Nun, zunächst einmal gar nicht, ohne eine 180° Drehung in der europäischen Wirtschaftspolitik. In der Pflicht ist hier vor allem Deutschland. Denn die Schräglage in Arbeitsmarkt und Finanzen geht vor allem auf den ungleichgewichteten innereuropäischen Handel zurück.

Die Proteste richteten sich bisweilen auch schon gegen Angela Merkel, die durch stumpfe und unzutreffende Äußerungen bezüglich angeblich faulen Südeuropäern das Fass zusätzlich zum Brodeln brachte. Was auf einem Frühlingsfest der CDU im schönen hochsauerländischen Meschede aus ihrem Mund kam, hat so manchem Interessierten die Milch versauert. So ließ sie sich aus, "dass man in Ländern wie Griechenland, Spanien, Portugal nicht früher in Rente gehen kann als in Deutschland, sondern dass alle sich auch ein wenig gleich anstrengen - das ist wichtig".

Basis der "Bewegung des 15. Mai", wie sich der Protest selbst nennt, sind offenbar jugendliche und Studenten, die in Spanien schon seit eh und je unter schlechten Berufsaussichten leiden. Befristete oder schlecht bezahlte Jobs sind oft ein notwendiges Übel das sie auf sich nehmen müssen. Nach Beendigung des Bezugs von Arbeitslosengeld, muss man für 6 Monate mit 400 Euro auskommen. Danach wird der Geldhahn zugedreht. Von den 1,4 Millionen Familien, in denen niemand Arbeit hat, sind bereits 1 Million aus diesem sozialen Raster gefallen, währrend die Hilfspakete in Milliardenhöhe für die Banken als "unausweichlich" bezeichnet werden.
Menschenketten, Straßensperren, das Umbenennen von öffentlichen Plätzen. All das spielt sich nicht nur auf den Straßen von Madrid ab, sondern auch in dutzenden weiteren Städten. Ein gewisses Muster  und der Aufbau von festeren Strukturen steckt dahinter, nicht zuletzt um die Organisation der verschiedenen lokalen Gruppen zu bewerkstelligen. Die größte Rolle spielt hierbei vor allem - wie könnte es anders sein - das Internet, allen vorran Facebook und Twitter. Anders lässt sich die parasitäre Ausbreitung wohl auch kaum erklären.
People of Europe - Rise Up
Ein logischer Schluss wäre es, jetzt parallelen zur Arabischen Welt zu ziehen. Die in­for­mel­le Or­ga­ni­sa­ti­on über so­zia­le Netz­wer­ke. Mund-zu-Mund-Pro­pa­gan­da. Der völ­lig un­er­war­te­te Be­ginn. Die schnelle Ausbreitung. Das Cam­pie­ren auf zen­tra­len Plät­zen. In der äu­ße­ren Er­schei­nung sind die Ähn­lich­kei­ten ge­ra­de­zu frappierend. Mit der Gleichsetzung sollte man jedoch vorsichtig sein. Denn Entwicklungen wie in Libyen, Syrien oder Bahrain sind hier völlig undenkbar. So erklärte die spanische Regierung die Demonstrationen zwar für illegal, aber nur weil das demonstrieren an einem Wahlvorabend in Spanien ohnehin untersagt ist. Desweiteren kündigte die Regierung darauffolgend unverzüglich an, nicht gegen die Demonstranten vorzugehen.

Um einmal auf den Punkt zu kommen: Sinnvoll ist es allemal, sich in einer Notlage zu wehren, sich der etablierten Elite entgegenzusetzen, wenn einem klar wird, dass diese nicht mehr im eigenen Interesse handelt. Aber bedeutet das Umgekehrt auch, dass man direkt in den Populismus abgleiten muss? Bedeutet das, dass man nur dann eine solch massive Bewegung mobilisieren kann, wenn man die größten Probleme des Volkes zusammennimmt und damit Sturm rennt?

Donnerstag, 19. Mai 2011

Die Injektion eines Mythos

Eine grotesk anmutende Menschenmasse. Frenetischer Jubel wohin man auch blickt. Hupende Autos. Geschwenkte Sternenbanner. Was wie ein Nationalfeiertag anzumuten scheint, ist eigentlich der Tag der Erschießung Osama Bin-Ladens. Vielleicht wird daraus ja in Zukunft noch ein Nationalfeiertag, an dem die amerikanische Bürgerschaft Jahr für Jahr den Tod eines Mythos feiert, der ihnen vor mehr als einem Jahrzehnt von der eigenen Regierung untergejubelt wurde.
Die Stunde der unverbesserlichen Patrioten, die der Chauvinisten, die derjenigen die einen Beweis für Macht und Größe der USA geliefert haben wollen, vielleicht sogar brauchen, diese Stunde ist da. Die schwankende Supermacht hat erneut einen Krieg gewonnen, und wenn es auch nur ein Krieg war um die Zweifler an der eigenen Übermacht zum schweigen zu bringen.

Die Titelseite einer amerikanischen Tageszeitung
Die Nachwirkungen dieses Ereignisses auf die amerikanische Innenpolitik sind jedoch nicht zu unterschätzen: Barack Obama gelingt mit diesem sein persönlicher Befreiungsschlag, wertvoller als jede Gesundheitsreform, nach der die US-Bürger ach so lechzen. Seine Chancen für eine zweite Amtszeit sind beträchtlich gestiegen. Laut Umfragen, die unmittelbar nach der Aktion erhoben wurden, verbesserte sich Obamas Ansehen in der Bevölkerung deutlich.
Neutral betrachtet jedoch, gab die Supermacht fern jedes völkerrechtlichen Verständnisses die Exekutierung eines Menschen bekannt, der erst durch Propaganda und Antiziperung der Medien unter mithilfe der amerikanischen Regierung zu dem wurde als was die Welt ihn sieht: Als Kopf und oberster Kämpfer des islamistischen Terrorismus und somit als Staatsfeind Nr. 1 für die Propaganda-Walze.
Sowohl innerhalb als auch außerhalb haben sich die USA beziehungsweise die US-Regierung somit langfristig einen Bärendienst erwiesen. Hauptsächlich durch wilde Verschwörungstheorien von George W. Bush, Saddam Hussein sei ebenso in die Anschläge vom 11. Sept. verstrickt gewesen wie Osama Bin Laden es gewesen sei.
Tatsächlich konnte und sollte wohl bis heute noch nicht geklärt werden, inwieweit Bin Laden wirklich für 9/11 verantwortlich war. Vergessen bei allen von Bin Laden ausgestrahlten Propagandabotschaften wird seine unmittelbare Reaktion nach den Anschlägen: Er dementierte damals sein Zutun. Untypisch für Terrororganisationen, die normalerweise nicht um eine Bekennerschaft verlegen sind. Ein weiteres Video, indem Bin Laden später seine Komplitzenschaft bestätigt haben soll, wurde vom Pentagon anscheinend gefälscht beziehungsweise manipuliert. Die Involviertheit von Saddam Hussein bleibt hierbei noch außen vor.

Das alles lässt die Frage offen, die man sich vergebens immer wieder stellt: War die Exekutierung Osama Bin Ladens die richtige Entscheidung? Für die US-Regierung zweifelsohne ja. Man genießt erhöhtes Ansehen bei der eigenen Bevölkerung und schöpft neue Kraft aus dem Sieg über die Verkörperung der bösen islamistischen Welt. Doch was ist mit dem Rest der Welt?